Die Soldatenfriedhöfe oder Ehrenfriedhöfe sind, wie Albert Schweitzer gesagt hat, „die großen Prediger des Friedens“. So ist auch unser Ehrenfriedhof hier in Neuerburg, mitten in unserer Stadt gelegen, das ganze Jahr über „ein Prediger des Friedens“, der offensichtlich respektiert wird. 

Als Neuerburg Ende 1944 zum unmittelbaren Frontgebiet gehörte, wurden auf dem ehemaligen Friedhof der Stadt an der Bahnhofsstraße zwei breite Gräben ausgehoben, in denen die Gefallenen und im Lazarett Verstorbenen beigesetzt wurden. Einige Jahre nach dem Krieg wurden die Toten in Einzelgräber umgebettet und aus der näheren und weiteren Umgebung die Gräber der Soldaten nach Neuerburg verlegt.

Durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge erhielt dieser Friedhof bis 1958 seinen endgültigen Ausbau. In der schönen und parkähnlichen Anlage, die von den Besuchern immer wieder Belobigung wegen der sorgsamen Pflege erhält, ruhen heute die sterblichen Überreste von 969 Gefallenen des zweiten Weltkrieges. Nicht wenige Namenssteine tragen die Inschrift „unbekannt“.

Doch es ist immer wieder erfreulich, dass auch nach über 60 Jahren nach Kriegsende durch intensive Recherchen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge Tafeln mit der Inschrift „unbekannt“ einen Namensbezug erhalten und ausgetauscht werden können, weil man einen Namen zuordnen konnte – so noch geschehen vor einigen Jahren hier auf unserem Friedhof - das Grab Heinbuch. 

Volkstrauertag – der Tag, an dem wir uns an die Opfer von Krieg und Gewalt in der Vergangenheit und Gegenwart erinnern. Das Erinnern ist wichtig. Das Innehalten, das Gedenken. Denn die Ursachen für Gewalt, für Krieg sind noch lange nicht verschwunden.

„Fünf große Feinde des Friedens wohnen in uns: nämlich Habgier, Ehrgeiz, Neid, Wut und Stolz. Wenn diese Feinde vertrieben werden könnten, würden wir zweifellos ewigen Frieden genießen.“ Diese Sätze stammen aus dem 14. Jahrhundert von Francesco Petrarca. 

Und leider stimmt diese Aufzählung der Feinde des Friedens heute immer noch, wie die Gräueltaten im Nahen Osten oder das Flüchtlingselend in Nordafrika und auf Lampedusa es uns täglich vor Augen führen.  

Dennoch sei es erlaubt, hier heute zu fragen: Wer von den unter Fünfzigjährigen kann mit dem Begriff Volkstrauertag noch etwas anfangen? Wer von den unter Dreißigjährigen beschäftigt sich mit dem Gedenken an die Toten der beiden Weltkriege?

Bedenken wir dabei: Diejenigen, die von Krieg, Vertreibung, Hunger, Tod oder auch von dem Bombenangriff auf unser Städtchen Neuerburg am 23. Dez. 1944 erzählen können, werden immer weniger. Mit dem Tod unserer Großeltern und Eltern verschwindet die Generation, die Krieg und Faschismus noch erlebt haben. 

Ja, wenn wir es nicht schaffen, junge Menschen für die Bearbeitung und Bewältigung geschichtlicher Fragen zu gewinnen, ihnen das, was Menschen Menschen in den beiden Weltkriegen angetan haben und was Menschen Menschen auch heute noch antun, nahe zu bringen, wird das Erinnern daran versinken im geschichtlichen Strom der Kriege und Machtkämpfe der Menschheit. 

Das friedliche Miteinander in Europa – Jahrzehnte undenkbar – ist für uns und unsere Kinder zur Selbstverständlichkeit geworden. Wir, die heute Sechzig-Siebzigjährigen sind die erste Generation, die in einem dauerhaften und stabilen Frieden in Europa aufwachsen konnte. Die Verleihung des Friedensnobelpreises im letzten Jahr ist symbolisch dafür. 

Ein ermutigendes Symbol für mich aber ist es auch und es verdient Dank, dass sich viele junge Menschen heute hier an der Gestaltung der Trauerfeier – im Musikverein – die Schüler der Grund- und Realschule plus, die Messdiener, aber auch weltweit sich viele Jugendliche an der Aktion „Versöhnung über Gräbern“ der Kriegsgräberfürsorge und an dem Besuch der Gedenkstätten beteiligen.

Und ich finde es als weiteres ermutigendes Symbol und Zeichen, wenn sich hier im Jahresverlauf an den drei Gingko-Bäumen, die die Neuerburger Schulen vor einigen Jahren in Patenschaft gepflanzt haben, Schulklassen einfinden, um hier über den Gräbern der gefallenen Soldaten, manche sozusagen fast gleichaltrig, unsere leidvolle Geschichte aufzuarbeiten.

Möge dabei der Gingko-Baum auch am Volkstrauertag als Symbol für das Leben und den Frieden stehen. Der Gingko-Baum, der Baum, der nach der Zerstörung durch die Hiroshima-Bombe als erstes wieder Grün zeigte, der Baum des Jahrtausends und der Jahrtausende, der Baum der Hoffnung und des Friedens. Ein Symbol für die Jugend unserer Zeit und ein Appell an uns alle: Mögen wir mit Gottes Hilfe unsere fünf Feinde: „Habgier, Ehrgeiz, Neid, Wut und Stolz“ überwinden.

Willi Hermes